Zwei Menschen mit einem Schicksal.
Andrea und Ihr Sohn Benedict teilen sich nicht nur die Liebe zum Familienhund Balu, sondern auch ein Schicksal: beide leiden unter einem Immundefekt und sind auf Medikamente angewiesen. Trotzdem, oder vielleicht sogar deswegen, wirken sie erstaunlich lebensbejahend. Doch im Gespräch mit Andrea wird auch deutlich, dass die Zeiten nicht immer so unbeschwert waren. Vor allem in der Zeit nicht, in der sie nicht wussten, wieso Benedict andauernd krank ist. Lesen sie im Interview mit Andrea über zwei Menschen, die froh waren endlich Gewissheit über ihre Krankheit zu haben und jeweils eigene Strategien entwickelten, um mit der Situation umzugehen.
Wann haben Sie von Ihrer Erkrankung erfahren?
„Mein Sohn wurde 2013 diagnostiziert. Daraufhin haben wir uns alle testen lassen. Meine Diagnose bekam ich dann 2014 und war natürlich sehr geschockt.“
Wie hat sich die Krankheit geäußert? Was waren die ersten Symptome?
„Ich selbst war schon sehr häufig krank in meiner Kindheit. Ich kann mich an diverse grippale Infekte erinnern und hatte auch mehrere Lungen- und Bindehautentzündungen. Bei Benedict fing es auch schon früh an: Bereits mit 2 Monaten war es sehr drastisch. Er war ständig krank und wir wussten einfach nicht warum.“
Zur Person
Schüler
Wie genau wurde die Erkrankung festgestellt?
„Über eine Blutuntersuchung. Dabei kam heraus, dass mein Immunstatus auffällig ist. Leider pathologisch. Unser Arzt hat mir dann empfohlen mich auf Immunglobuline einzustellen.“
Was waren die ersten Gedanken, nachdem die Diagnose gestellt wurde?
„Benedict sagte: „So, jetzt wissen wir endlich was es ist, jetzt wissen wir, was wir tun können.“ Er war ja viel im Krankenhaus, hatte schon viele Krankheiten hinter sich und keiner wusste wieso. Das war schlimm. Nachdem wir dann zum dritten Mal stationär in einer Kinderklinik waren, sind die Ärzte hellhörig geworden und haben festgestellt, dass Benedict kaum Zellen hat. Die Diagnose: Immundefekt. Benedict war damals 13 Jahre alt. Wir sind dann beraten worden, haben die entsprechenden Medikamente und die Pumpe bekommen. Unser Arzt meinte zu Benedict:“ Jetzt hast du so viele Pakete – das ist ja wie Weihnachten.“ Benedict antwortete: „Das ist sogar besser als Weihnachten!“ Ich glaube er hatte endlich das Gefühl ernst genommen zu werden.“
Ist die Krankheit vererbbar?
„Ja, bei ihm ist es genetisch bedingt und wurde über mich vererbt. Den Test haben wir damals in Freiburg machen lassen.“
„So, jetzt wissen wir endlich was es ist, jetzt wissen wir, was wir tun können.“
Ihr Sohn wurde als erstes diagnostiziert. Haben Sie sich daraufhin alle testen lassen?
„Ja, genau. Benedicts Vater und mein ältester Sohn sind beide gesund, Mein jüngster Sohn, Jona, ist auch betroffen, wurde aber noch nicht auf Immunglobulin eingestellt, da seine Werte im Grenzbereich liegen. Der Arzt sagte uns, dass es meist entweder in der Pubertät oder zur Lebensmitte kippt. Er ist jetzt 16 Jahre alt.“
Wie wird die Krankheit genau behandelt?
„Durch die Substitution von Immunglobulinen. Wir machen das in der sogenannten Heimtherapie.“
Wie gehen Sie im Alltag mit der Krankheit um?
„Also wir müssen uns hygienisch schon etwas besser schützen und darauf achten, dass wir den Kontakt mit sehr kranken Menschen meiden. Dass ich Altenpflegefachkraft bin, ist schon paradox. Mein Arzt sagte auch: „Sehen Sie zu, dass Sie ins Büro kommen!“ Aber das kann ich nicht, dafür liebe ich meinen Beruf zu sehr.“
Wie geht Ihr Sohn mit der Krankheit um?
„Die Zeit ohne Diagnose war am schlimmsten. Das war sehr belastend für ihn. Als Mutter geht man anders mit der Situation um. Ich habe sehr viel gelesen zu der Zeit. Man sucht förmlich nach dem Strohhalm, an den man sich klammern kann. Ich war auch in einer Selbsthilfegruppe und habe alles aufgeschrieben und das Geschriebene gesammelt. Mein Sohn war ja mitten in der Pubertät, das war schon schwierig für ihn. Da sind viele Tränen geflossen und er hat eine allgemein ablehnende Haltung entwickelt. Er wurde ja auch lange von Zuhause aus beschult, da brechen dann die sozialen Kontakte schnell ab. Das ist natürlich besonders herausfordernd. In den letzten zwei Jahren hat er sich dann mit der Situation arrangiert und sich in den Sport gestürzt. Er war schon immer sehr ehrgeizig.“
"In den Gesprächen kann man sich aber immer gut über die Zuhausebeschulung oder auch die Heimtherapie austauschen. Das hilft mir sehr.“
Haben Sie Kontakt zu anderen Betroffenen? Wie haben Sie die Personen kennengelernt?
„Ja, über die Selbsthilfegruppe der DSAI. Manchmal schreibe ich mit anderen Betroffenen. Einander zu sehen, geht leider eher selten, da alle deutschlandweit ziemlich vertreut leben. In den Gesprächen kann man sich aber immer gut über die Zuhausebeschulung oder auch die Heimtherapie austauschen. Das hilft mir sehr.“
Was würden Sie denjeniegen sagen, die noch zweifeln, ob Sie Plasmaspenden gehen sollen?
„Es ist unsere Lebensversicherung. Wir sind davon abhängig. Deshalb zählt jede Spende.“
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
„Dass es mit Benedict weiterhin bergauf geht. Er kann mittlerweile einigermaßen normal leben. Er holt jetzt die Jahre nach, die er damals verpasst hat. Das ist schön zu sehen und es wäre toll, wenn es so weitergeht. Aber ich bin auch dankbar, für so viele Spender. Das ist ja nicht selbstverständlich. Ich denke, es müsste noch öffentlicher gemacht werden – also die Erkrankungen und auch, dass Plasmaspenden lebenswichtig sind für Betroffene, weil Plasma nicht künstlich hergestellt werden kann. Ich glaube das wissen die meisten gar nicht.“