Wir wünschen euch eine schöne Weihnachtszeit!
An folgenden Tagen bleiben alle Spendezentren geschlossen: 24.12., 25.12., 26.12., 31.12. & 01.01.
„Ein hyperaktives Kind mit Hämophilie ist eine gefährliche Mischung.“
Ich war ein absolut hyperaktives Kind, und das ist gefährlich, wenn man dazu noch Hämophilie hat. Ich habe die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Als ich klein war, bin ich ständig durch das Haus gerannt und herumgesprungen. Irgendwas führte ich immer im Schilde.
Steckbrief
Im Nachhinein kann ich wohl sagen, dass ich ziemlich anstrengend war. Ich hatte so viel Energie und war extrem aktiv, was zu vielen Blutungen führte. Einen Jungen wie mich großzuziehen war für meine Eltern ziemlich strapaziös und besonders schwierig war es für meine Mutter, denn ein hyperaktives Kind mit Hämophilie ist eine gefährliche Mischung.
Als Kind konnte ich meine Hämophilie nur schwer akzeptieren. Ich wünschte mir, keine Blutungen zu haben und nicht so oft ins Krankenhaus zu müssen. Manchmal musste ich tagelang am Stück dort bleiben. Es war schwierig, aber manchmal haben mir die Krankenhausaufenthalte auch Spaß gemacht, weil ich dort Videos anschauen konnte.
Die schwierigste Zeit für mich und meine Mutter war im Alter von neun bis elf Jahren. Es fiel mir nicht leicht zu lernen, mir mein FVIII-Präparat selbst zu spritzen. Es ist echt hart für einen jungen Menschen, sich selbst zu infundieren. Für meine Mutter war es sehr schwierig, sich um alles zu kümmern und mit einem Kind zurechtzukommen, das einfach nicht auf sich aufpassen wollte.
„Ich erinnere mich, wie ich allein in meinem Zimmer saß und weinte.“
"Ich erinnere mich, wie ich allein in meinem Zimmer saß und weinte. Ich war so frustriert. Ich konnte nicht mit meinen Freunden Fußball spielen, dabei wünschte ich es mir so sehr. Aber es war einfach zu gefährlich, vor allem weil mein Knöchel besonders anfällig für Blutungen war. Alle meine Sportlehrer wussten von
meiner Krankheit, was bedeutete, dass ich bei manchen Sportstunden nicht mitmachen durfte. Ich war total wütend, dass ich nicht wie alle anderen sein durfte.
Ich wuchs in dem Glauben auf, meine Hämophilie sei mittelschwer, aber vor kurzem sagte mir mein Arzt, dass ich schwere Hämophilie habe. Anscheinend habe ich nicht mehr so viel Faktor-VIII-Aktivität wie früher. Mein älterer Bruder hat milde Hämophilie und er ist eigentlich ganz normal. Heute hat er seinen Traumjob – er ist Zugführer. Ich freue mich für ihn. Er hatte als Heranwachsender nicht dieselben Probleme wie ich. Er musste nie prophylaktisch behandelt werden. Außerdem war er vom Typ her viel ruhiger als ich. Ich war die große Herausforderung für meine Mutter."
„Wir … sollten all das zu schätzen wissen, was uns heute zur Verfügung steht. Vielleicht würdigen wir das manchmal einfach nicht genug...“
Mein Großvater hatte auch Hämophilie und er war ein wunderbarer Mensch. Ich weiß, dass er nicht die Möglichkeit hatte, die notwendige Behandlung zu bekommen. Wenn er heute noch leben würde, würde er sich sehr über die mittlerweile existierenden Medikamente freuen und über all die Fortschritte, die seither gemacht wurden. Wir, die junge Generation, sollten all das zu schätzen wissen, was uns heute zur Verfügung steht. Vielleicht würdigen wir das manchmal einfach nicht genug, denke ich mir.
In meinem Leben musste ich schon einige Probleme meistern, aber es gab nie eine Situation, in der ich eine Blutung hatte und es keine Behandlung für mich gab. Leider nehme ich meine Medikamente als selbstverständlich hin.
Eigentlich sollte ich meine Prophylaxe ein- oder zweimal pro Woche durchführen, aber manchmal habe ich dafür keine Zeit oder ich habe einfach keine Lust darauf. Ich empfinde das Spritzen dieses Medikaments als Last. Eine blöde Einstellung, ich weiß. Ich weiß ja auch, dass es wichtig ist, die Medikamente zu nehmen, um weiterhin geschützt zu sein. Aber wenn man jung ist, passt man manchmal nicht ganz so gut auf sich auf, wie man eigentlich sollte.
Heute führe ich ein fast normales Leben, abgesehen von Blutungen in meinem blutungsgefährdeten Knöchel. Mein Fuß schwillt von innen an und wird blau, und wenn es ganz schlimm ist, kann ich nicht mehr gehen. Ich engagiere mich sehr in der Deutschen Hämophiliegesellschaft. Ich bin dort Jugendvertreter für Schleswig- Holstein und bin im Jugendrat. Diese Tätigkeit macht mir viel Spaß und hat für mich einen emotionalen Wert. Wenn man so viel Zeit mit anderen Betroffenen verbringt, baut man eine tiefe und innige Beziehung auf. Mein Engagement begann im Ferienlager, an dem ich ab dem Alter von neun Jahren bis zu meinem 18. Geburtstag fast jedes Jahr teilnahm. Dort lernt man viele Kinder mit Hämophilie kennen und merkt, dass man nicht alleine ist. Als ich älter wurde, arbeitete ich mehr und mehr bei der Organisation des Ferienlagers mit und mir wurde auch mehr Verantwortung übertragen. Die Ferienlager waren echt spitze. Ich kann sagen, dass sie zu den schönsten Zeiten in meinem Leben gehören.
„Ich fände es toll, wenn der Großteil aller Hämophiliepatienten Zugang zu Präparaten hätte. Heute sind das nur 25%.“
Ich habe am Weltkongress der World Federation of Hemophilia (WFH) in Orlando und Paris teilgenommen. Diese Veranstaltungen sind eine wirklich tolle Erfahrung. Man bekommt die Chance, Menschen aus der ganzen Welt kennenzulernen. Ich fände es toll, wenn der Großteil aller Hämophiliepatienten Zugang zu Präparaten hätte. Heute sind das nur 25%. Wenn ich die Wahl hätte, wäre es mir lieber, wenn in Zukunft die Behandlung mit Gerinnungsfaktorkonzentraten überall auf der Welt besser verfügbar wäre, als wenn es eine Pille gäbe, diese aber nur in Europa zur Verfügung stehen würde.
„Lebe das Leben, das du dir wünschst, weil dir die heute verfügbaren Medikamente diese Freiheit geben.“
Ich bin Musiker und spiele seit meinem elften Lebensjahr Gitarre. Weitere Hobbys sind Lesen und kreatives Schreiben. Kürzlich war ich mit einem Freund, den ich im Ferienlager kennengelernt habe, in den Bergen wandern. Die Tatsache, dass zwei junge Typen mit Hämophilie überhaupt wandern gehen können, zeigt doch, was durch die moderne Behandlung möglich wird. Ich würde einem jungen Hämophiliepatienten raten, sich aktiv am Austausch mit uns anderen Betroffenen zu beteiligen, weil wir ihn brauchen. Ich würde ihm sagen, dass er seine Behandlung nicht als selbstverständlich erachten sollte. Lebe das Leben, das du dir wünschst, weil dir die heute verfügbaren Medikamente diese Freiheit geben.